Für eine nachhaltige Immobilienbranche müssen wir an den Bestand!
Der Wohnungsbestand in Deutschland liegt bei etwa 43 Millionen Einheiten [1]. Rund 95 % davon wurde vor dem Jahr 2012 errichtet. [2] Daraus resultierend gibt es bei vielen dieser Immobilien einen großen Sanierungsbedarf. Auch in unserem Bestand befinden sich einige ältere Objekte mit einer entsprechend niedrigen Energieeffizienz und einem umso größeren CO2-Ausstoß. Bei der Ermittlung des CO2-Fußabdruckes unserer Objekte haben wir festgestellt, dass ein kleiner Teil unserer Immobilien für einen Großteil der Emissionen verantwortlich ist. Naheliegend sind genau das die Baustellen, welche wir zuerst angehen wollen. An einem Beispielobjekt beschreiben wir, wie sich das Vorhaben aus einem ökonomischen Blickwinkel betrachtet darstellt.
[1] Quelle: Statistisches Bundesamt
[2] Quelle: Statista
Nachhaltige Sanierung: Was ist zu tun?
Unser Objekt wurde in den 60er Jahren errichtet. In den frühen 90ern wurde zudem das Dachgeschoss ausgebaut.
Die Energieeffizienzklasse der Immobilie liegt im unteren Viertel der Kategorie F, was bedeutet, dass der Primärenergiebedarf der Immobilie bei etwa 190kWh/m²/Jahr liegt. Hauptverursacher sind die Holz-Verbund-Fenster sowie die ungedämmten Fassaden und Kellerdecken. Gemeinsam mit unseren Energieberatern haben wir mögliche Modernisierungsmaßnahmen ermittelt, mit denen sich einiges bewegen ließe.
Erforderliche Maßnahmen
- Dämmung der Kellerdecken
- Dämmung der Außenwände
- Erneuerung der Fenster mit 3-fach Wärmeschutz Verglasung
- Erneuerung der Hauseingangstüren mit 3-fach Wärmeschutz Verglasung
- Installation einer Sole-Wasser-Wärmepumpe
- Installation einer Photovolaik-Anlage
- Einbau neuer Garagentore
Mit all diesen Maßnahmen können wir den Endenergie- und Brennstoffbedarf um annähernd 80 % reduzieren.
Die Energieeffizienzklasse würde dann im oberen Bereich von B mit einem Primärenergiebedarf von ca. 60kwH/m²/Jahr liegen.
Was kostet Nachhaltigkeit im Bestand?
In unserem speziellen Fall würden alle Maßnahmen inklusive Ausgaben für Fachplaner und Architekten sowie unter Einplanung der maximalen BAFA-Förderung rund 2,1 Mio. Euro kosten.
Nach aktueller Gesetzeslage, könnten wir die Miete des Gesamtgebäudes um ca. 50.000 Euro erhöhen.[3] Bei aktuellen Zinsen von etwa 4 % und einer angenommenen Tilgung von 1 % errechnet sich eine Rendite von 2,9 % und damit ein negativer Cashflow.
Zusammengefasst: Nach aktuellen Konditionen ist die energetische Sanierung unserer Immobilie ein Verlustgeschäft.
[3] Quelle: vgl. BGB
Zwei Hypothesen, wie die nachhaltige Sanierung wirtschaftlich funktionieren könnte
Die Kalkulationen gehen von einer moderaten Rendite von 5 % aus.
Szenario 1: Gesetzesänderung für die Mietumlage
Die Kosten können in stärkerem Umfang auf die Mieter umgelegt werden.
Bei einer Investition von 2,1 Mio. Euro zu den oben genannten Konditionen, müsste die Erhöhung der jährlichen Gesamtmiete ca. 86.000 € betragen, um eine Rendite von 5 % zu erwirtschaften.
Dies widerspricht allerdings der Gesetzgebung und stellt eine starke Belastung für die Bewohner dar.
Szenario 2: Senkung der Kosten durch niedrigere Preise oder stärkere Förderungen
Wenn die Investitionskosten auf etwa 1,37 Mio. Euro sinken, würde bei aktueller Gesetzteslage bzgl. Mieterumlage die Rendite ebenfalls bei 5 % liegen.
Ob sich Baukosten und Förderungen in naher Zukunft zu günstigeren Konditionen entwickeln, ist fraglich.
Wir werden unser Objekt trotzdem energetisch sanieren.
Ein starrer Blick auf die aktuelle Rendite lässt die Entscheidungsfindung zuerst einfach wirken. Durch eine Sanierung erhöhen sich zwar die Mieteinnahmen und dadurch der Ertragswert der Immobilie, dies kompensiert allerdings den investierten Betrag nur teilweise. Rein aus diesem Blickwinkel betrachtet handelt es sich um eine schlechte Investition.
So einfach haben wir es uns nicht gemacht und haben auch andere Perspektiven eingenommen und weitere Argumente evaluiert. Folgende Punkte haben uns dazu gebracht, unser Objekt doch energetisch zu erneuern.
1. Wir müssen nachhaltiger werden
Die Klimaerwärmung schreitet voran. Jeder muss seinen Teil dazu beitragen. Der Immobilienbereich hat hier eine enorme Hebelwirkung.
Ferner hilft uns auch dieses Projekt dabei, unsere Expertise in nachhaltigem Bauen zu vertiefen.
2. Marktfähig bleiben
Aus Sicht von Angebot und Nachfrage, werden nicht-nachhaltige Gebäude zukünftig von einigen Investoren nicht mehr oder nur eingeschränkt gehandelt werden können. Besonders institutionelle Investoren werden sich ESG-Zielpfade setzen bzw. eine gewisse ESG-Quote in ihrem Portfolio erfüllen (Green Asset Ratio). Dieses veränderte Nachfragepotenzial wird zu einem signifikant erhöhten Preisunterschied zwischen nachhaltigen und nicht-nachhaltigen Immobilien führen.
Heute mangelt es allerdings noch an den erforderlichen Datensätzen, um diese Preisunterschiede adäquat berechnen und prognostizieren zu können.
3. Nachhaltigkeit als Wertsicherung
Mit Blick auf die bereits beschriebene künftigen Wertentwicklung nachhaltiger bzw. nicht-nachhaltiger Objekte ist eine energetische Sanierung durchaus als ein Mittel zur Wertsicherung von Immobilien zu verstehen.
Ferner führt eine Sanierung häufig zu einer höheren Restnutzungsdauer von Gebäuden. Ein Punkt, der bei vielen Analysen vernachlässigt wird.
Aktuelle Analysen geben diesem wertsichernden Aspekt häufig nur verzerrt wieder, da bereits sanierte Immobilien zumeist in kaufkraftstarken Gebieten mit entsprechend höheren Bodenwerten liegen. Aus solchen Datensätzen den Anteil von Nachhaltigkeit bei Wertunterschieden zu entnehmen, ist schwierig. [4]
[4] Quelle: Zeitschrift für Immobilienökonomie | Ausgabe 1-2/2019
4. Der CO2-Preis
Der CO2-Preis liegt im Jahre 2023 bei 30 €/Tonne CO2 und wird bis 2026 auf mindestens 55€/Tonne CO2 steigen. [5] Das ist noch nicht viel. Das Potsdam-Institut für Klimaforschung hat errechnet, dass zur Erreichung der EU-Klimaziele ein CO2-Preis von 130-350 €/Tonne CO2 erforderlich ist. [6] Das ist eine große Spanne und die Preisentwicklungen sind unsicher. Daraus wir allerdings ersichtlich, dass die Emissionskosten weiter steigen und wirtschaftlich bedeutender werden.
[5] Quelle: Bundesfinanzministerium
[6] Quelle: Potsdam-Institut für Klimaforschung
Fazit
Aus diesen Gründen ergibt sich für uns die Annahme, dass nachhaltige Sanierungen bei Immobilien künftig mit anderen ökonomischen Maßstäben gemessen werden als heute.
Mit Blick auf die Zukunft können derartige Investitionen durchaus auch wirtschaftlich sinnvoll und notwendig werden.
Wie steht Ihr zu dieser Thematik? Lasst uns in den Austausch gehen!