Eine unschöne Überraschung

Die Umstellung auf Fernwärme klingt erst einmal gut. Vorhandene Wärme aus beispielsweise Kraftwerken oder Industrieanlagen zu verwenden, anstatt diese separat zu erzeugen, spart Energie. Ebenso entfällt für Wohngebäude die Notwendigkeit von Heizkesseln, Brennstoffspeichern und weiteren Anlagen. Die Wärme wird gebrauchsfertig ins Haus geliefert.

Unsere jüngste Erfahrung mit Fernwärme war eher unangenehmer Natur. Im Zuge der nachhaltigen Transformation unseres Immobilienportfolios und des Aufbaus von Wissen und Expertise gehören Niederlagen und bittere Erkenntnisse genauso dazu wie Erfolgsgeschichten. Deshalb wollen wir euch diese Erfahrung nicht vorenthalten.

Amir El Zorkany, technischer Immobilienmanager bei der PSD Bank Berlin-Brandenburg

Amir El Zorkany, Immobilienmanager bei der PSD Bank Berlin-Brandenburg

Ein Objekt aus dem Portfolio der PSD Bank Berlin-Brandenburg

Unser Objekt in Berlin-Prenzlauer-Berg mit 15 Wohn-, einer Gewerbeeinheit sowie einer Garage ist mit einer zentralen Gasheizung aus dem Jahre 1993 ausgestattet. Trotz der erwarteten Lebensdauer von etwa 20 Jahren und ersten kleineren Defekten könnte die Heizung zwar noch etwas auf den Ruhestand warten – der Klimawandel wartet aber nicht. Zeit für mehr Nachhaltigkeit.

Schritt eins liegt wie immer darin, unsere Möglichkeiten zu eruieren. Damit sind wir zu einem von Berlins größten Heizungsbauern gegangen und haben uns über verschiedenen Lösungen informiert.

Falls wir bei Gas bleiben

Die denkbar einfachste und günstigste Lösung liegt darin, einfach eine neue Gasheizung installieren zu lassen. Der zeitliche Aufwand wäre ebenfalls überschaubar. Alte Heizung abbauen, neue Heizung einbauen. Fertig.

Nachhaltiger wird dadurch allerdings absolut nichts. Im Gegenteil: Neuere Heizungsanlagen sind meistens nur noch mit einer Lebenszeit von etwa 10 Jahren konzipiert. Die neuen Gasheizungen sind allerdings wesentlich energieeffizienter als die Modeelle aus den 90er Jahren.

Eine Kombination aus Gas und einer Luft-Wärmepumpe: Zum einen deutlich nachhaltiger in der CO2-Bilanz, zum anderen allerdings etwa doppelt so teuer wie eine herkömmliche Gasheizung ­– und das, obwohl ein solches Vorhaben im Rahmen der Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) mit einer Förderung von 25 % unterstützt würde.

Hierfür müssen außerdem hohe Auflagen erfüllt werden. Die erforderlichen Gutachten und Planungen schlagen ebenfalls mit hohen Kosten zu Buche.

Ferner wäre ein hydraulischer Abgleich inklusive Berechnungen notwendig. Im Zuge dessen müssten wir jeden einzelnen Heizkörper in allen Wohnungen mit einem neuen Ventil ausstatten.

Im Fazit ist diese Option dennoch sehr teuer. Es wäre zudem schwierig, auf dem Grundstück Platz für eine Wärmepumpe zu finden oder zu schaffen.

Fernwärme in Berlin

Bevor wir Fernwärme in unsere Planung einbeziehen können, muss geklärt werden, ob das besagte Objekt überhaupt an das Fernwärmenetz angeschlossen werden kann. Allgemein besteht diese Möglichkeit vor allem in urbanem Gebieten mit entsprechenden Wärmeerzeugern im unmittelbaren Umfeld. Auch hier hatten wir Glück. Das Fernwärmenetz liegt beinahe direkt vor der Haustür.

Die Errichtung einer Fernwärmestation im Haus sowie den Anschluss würden Mehrkosten von 30 % im Vergleich zur Gasheizung anfallen. Aber damit nicht genug.

Für den Anschluss an das Fernwärmenetz haben wir uns an Vattenfall gewandt, die im Bereich Fernwärme ein Monopol in Berlin unterhalten. Monopolstellungen sind bei Fernwärme durchaus verbreitet und werden häufig kritisiert.

Das Verfahren würde 1-1,5 Jahre dauern. Um das Haus anzuschließen, müsste nämlich die Straße beziehungsweise der Gehweg, unter dem die Leitungen verlaufen, geöffnet werden. Hierfür sind Baugenehmigungen seitens des Landes Berlin erforderlich.

Die Fernwärmestation, welche im Haus installiert wird, hat eine Lieferzeit von sechs Monaten. Ein Jahr weniger als für den Anschluss. Daraus ergeben sich zwei Möglichkeiten:

  1. Wir bestellen die Station erst später: Klingt logisch, allerdings ist im Kontext der aktuellen Wirtschaftslage eine signifikante Preiserhöhung prognostiziert.
  2. Wir bestellen sofort und lagern die Station ein: Ebenfalls machbar, allerdings würden wir dadurch aus der 4-5 Jahre angedachten Gewährleistungs- beziehungsweise Garantiezeit fallen. Begründet ist dies darin, dass in der Aufbewahrungszeit Schäden entstehen könnten, welche der Anbieter nicht tragen will.

In den meisten Fällen werden die Einrichtungen im Keller der jeweiligen Objekte montiert. Unser Objekt verfügt allerdings über kein Untergeschoss. Die aktuelle Zentralheizung ist im Erdgeschoss im hinteren Gebäudetrakt installiert.

Verlegen wir die Fernwärmeleitung entlang der Außenmauer, müssen wir dadurch das benachbarte Grundstück einbeziehen. Dieses befindet sich in privater Hand. Das heißt, wir müssten zuerst die Eigentümer ermitteln und uns mit ihnen einigen. Voraussichtlich würden diese Gebühren oder Entschädigungszahlungen verlangen. Außerdem ist ein Grundbucheintrag (Grunddienstbarkeit Leitungsrecht) über einen Notar notwendig.

Eine Leitung durch unser Objekt würde wiederum sehr aufwendige Umbauten und Prüfungen erfordern. Schließlich müsste das Gebäude beinahe in gesamter Länge aufgebrochen werden, um die Rohre zu setzen. Konkretisiert: Man müsste Kernbohrungen durch die Garage und das Erdgeschoss durchführen, um mit den Leitungen zum hinteren Gebäudeteil zu gelangen, wo sich der Heizungsraum befindet.

Lohnt sich das?

Wer nachhaltiger werden möchte, muss in die Tasche greifen. Das ist uns bewusst und damit sind wir auch einverstanden. Im Bezug auf Fernwärme haben wir überprüft, welche Auswirkungen eine Umstellung auf die Heizkosten haben würde.

Auf Basis unserer Verbrauchszahlen haben wir von Vattenfall eine Vergleichsrechnung durchführen lassen. Mit Blick auf die Jahre 2019-21 wurden jährliche Mehrkosten von ca. 30 % errechnet. Wir konnten das nicht glauben und haben eine zweite Rechnung für die Jahre 2020-22 beauftragt. In diesem Zeitraum lagen die Mehrkosten sogar bei 80 %. Ursache waren der rasant gestiegenen Preise für Fernwärme. Als Vermieter müssten wir diese Differenz drei Jahre lang selbst bezahlen. Danach würden unsere Mieter die Mehraufwände tragen. Beides für uns sehr unattraktiv.

Hinzu kommt die Tatsache, dass auch Fernwärme auf Basis fossiler Brennstoffe erzeugt wird und darüber hinaus nicht die beste Energieeffizienz hat.

Wie erklären sich diese hohen Kosten?

Schwer zu sagen. Fernwärme definiert sich in der Wahrnehmung häufig durch intransparente Berechnungen und Monopolstellungen einzelner Anbieter und Stadtwerke. Ein Zusammenhang mit dem Auf und Ab der Preise für fossile Brennstoffe im Zuge des Ukrainekrieges besteht sicherlich, ist jedoch schwer errechenbar.

Fernwärme auf lange Sicht

Mehr noch als konventionelle Investitionen erfordern Investitionen in Nachhaltigkeit einen langen Atem. Politische und globalökonomische Faktoren sind schwierig vorherzusagen und einzuplanen. Ab dem 1. Januar 2023 sind die Preise für Fernwärme durch eine Preisbremse der Bundesregierung befristet auf 9,5 ct pro Kilowattstunde gedeckelt. Die Dauer der Maßnahme ist allerdings noch unbekannt und betrifft momentan 80 % des historischen Gesamtverbrauchs. Zum Vergleich: Der Gaspreis ist auf 12 ct begrenzt.

Das ist zwar sehr erfreulich, aber kaum geeignet, um seriöse Prognosen und Kalkulationen anzustellen.

Und was jetzt?

Ehrlich gesagt: Wir wissen noch nicht, wie wir auf diesen Wahnsinn mit Fernwärme reagieren. Wir werden weiterhin verschiedene Möglichkeiten ausloten und alle Optionen ausführlich diskutieren, bevor wir eine Entscheidung treffen.

Habt Ihr auch schon Erfahrungen mit Fernwärme gemacht. Habt Ihr bereits Lösungen oder Strategien gefunden?

Wir sind gespannt, was Ihr über dieses Thema zu berichten habt.