Wie messe ich die Nachhaltigkeit meiner Immobilie?

 

Nachhaltigkeit, ESG und Energieeffizienz kommen gut an. Keine Frage. Wenn da nicht die Sache mit der Glaubwürdigkeit wäre. Um diese zu gewährleisten, gibt es einen großen und unübersichtlichen Markt an Siegeln und Zertifikaten.

Diese sind durchaus kein reines Marketinginstrument, sondern können beispielsweise als Voraussetzung für Fördermittel oder Finanzierungen eine wichtige Rolle spielen.

Als Bank und Immobilienbesitzer befassen wir uns aktuell sehr intensiv mit dem Thema Zertifizierung.

Wann macht eine Zertifizierung Sinn? Welche Anbieter passen am besten zu uns? Welche Siegel sind besonders relevant oder werden es in der Zukunft werden?

Hattet auch Ihr schon Berührungspunkte mit dieser Thematik? Dann wird folgender Artikel mitunter interessant für Euch sein.

Viktoria Hagenstedt, M.Sc. Architektur bei der PSD KVG GmbH

Viktoria Hagenstedt,
Projektentwicklerin Immobilien
PSD Berlin Immobilien KVG GmbH

Nachhaltigkeit ist noch nicht einheitlich definiert!

 

Nachhaltigkeit und ESG allgemeingültig zu definieren oder zu belegen ist aktuell kaum möglich. Dennoch ist es bei der Kommunikation mit Mietern, Investoren, der Öffentlichkeit oder anderen Stakeholdern häufig unabdingbar, gewisse Nachweise zu erbringen. Ebenso geht es hierbei um Fördermittel, da der Staat insbesondere nachhaltige Projekte unterstützt.

Mit der Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) der KfW-Bankengruppe werden nachhaltige Bau- und Sanierungsvorhaben gefördert. Um diese zu bestimmen, hat das Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen 2021 das Qualitätssiegel | Nachhaltiges Gebäude (QNG) ins Leben gerufen. Die Vergabe dieses Siegels ist an die die Zertifizierung durch ein anerkanntes Bewertungssystem gebunden.

Derartige Systeme und Zertifikate gibt es viele: Im internationalen Raum sind beispielsweise BREEAM und LEED sehr etabliert. Darüber hinaus gibt es eine unüberschaubare Menge an verschiedensten Anbietern mit unterschiedlichen Schwerpunkten und Kriterien. Für das QNG-Siegel zugelassen sind allerdings nur eine handvoll Zertifizierer. Für Wohngebäude haben Projektentwickler die Wahl zwischen dem BIRN-Siegel der Bau-Institut für Ressourceneffizienz und nachhaltiges Bauen GmbH, dem Qualitätssiegel nachhaltiger Wohnungsbau (NaWoh) des Vereins zur Förderung der Nachhaltigkeit im Wohnungsbau e.V. sowie dem DGNB-Siegel des gleichnamigen Unternehmens.

Lange Rede kurzer Sinn – Um das Nachaltigkeits-Siegel des Staates zu erhalten, wird zuvor ein Zertifikat benötigt.

Und davon gibt es sehr viele.

Eine Ansammlung der verschiedenen Anbieter von Nachhaltigkeitszertifikaten

Wie finden wir das richtige Bewertungssystem?

Die drei geläufigsten Anbieter von Nachhaltigkeitszertifizierungen sind BREEAM, LEED und der DGNB. Aus diesem Grund haben wir zunächst diese unter die Lupe genommen. Zwar ist noch nicht absehbar, wie sich die Marktbedingungen in den nächsten 5-10 Jahren entwickeln, doch ist es durchaus möglich, dass sich eines der Zertifikate als neuer Standard etablieren wird.

Quelle: DGNB, Stand Juni 2023

Dabei ging es auch ganz konkret um unser Neubauvorhaben in Motzen. Unsere Partner haben das Siegel der DGNB empfohlen. Was uns von Anfang an besonders gefallen hat, war dessen ganzheitliche Sicht auf das Thema Nachhaltigkeit. Neben ökologischer, ökonomischer und soziokultureller Nachhaltigkeit, fließen auch Prozesse, technische Qualität und der Standort mit ein, sodass ein ausgewogener Kriterienkatalog entstehen kann.

Beispielsweise LEED ist nach unserem Empfinden zu sehr auf das Thema Energieeffizienz fokussiert, während wirtschaftliche Faktoren zu wenig ins Gewicht fallen.

LEED wie auch BREEAM bewerten die einzelnen Kriterien mit „erfüllt“ oder „nicht erfüllt“. Der DGNB bewertet mit Abstufungen auf Grundlage verschiedener Ziel-, Referenz- und Grenzwerte. Das stellt sicher, dass einzelne Punkte nicht komplett ausgeklammert werden können. Ebenso kann honoriert werden, wenn Kriterien sinnvoll bearbeitet werden, ohne eine bestimmte „Punktzahl“ erreichen zu müssen.

„Nachhaltiges Bauen bedeutet einen bewussten Umgang und Einsatz vorhandener Ressourcen, die Minimierung von Energieverbrauch und ein Bewahren der Umwelt. Dabei basiert das gängige Nachhaltigkeitskonzept auf einem Dreisäulenmodell bestehend aus: Ökonomie, Ökologie und Sozialem.“ -DGNB.de

Mit dieser Definition von Nachhaltigkeit stimmen wir sehr überein. Ein weiterer ausschlaggebender Punkt war außerdem die Regionalität. Während BREEAM eher in der USA und LEED in Großbritannien etabliert sind, handelt es sich bei der DGNB um einen deutschen Zertifizierer. Das könnte auch in Bezug auf etwaige Fördermittel durchaus eine Rolle spielen.

Die DGNB ist zudem eine Non-Profit-NGO, während einige andere Anbieter teilweise von privatwirtschaftlichen Interessen gesteuert werden.

Wie sinnvoll ist eine DGNB-Zertifizierung mitten im Projekt?

Die Bewertung einer Immobilie zwecks Zertifizierung wird von speziell geschulten Auditoren übernommen. Der Prozess ist sowohl zeitaufwendig, als auch kostenintensiv. Am sinnvollsten ist es, in einer möglichst frühen Planungsphase mit der Zertifizierung zu beginnen, um etwaige Vierbesserungspotenziale oder Änderungsvorschläge frühzeitig implementieren zu können. Für Projekte in einer späten Planungsphase gehen jegliche Änderungen mit einem enormen Mehraufwand einher. Ferner gestaltet sich die Inanspruchnahme von Fördermitteln dann komplizierter.

Unglücklich ist nur, dass sich zwei unserer aktuellsten Projekt bereits in einer sehr fortgeschrittenen Phase befinden. Wir sind noch unsicher, ob eine Zertifizierung trotzdem Sinn macht. Zum einen würden wir gerne Erfahrungen mit der DGNB sammeln, zum anderen könnten wir kaum noch Änderungen an den Projekten vornehmen. Sobald es eine Entscheidung gibt, lassen wir Euch wissen, wie wir das machen werden.

Was sind Eure Erfahrungen mit Nachhaltigkeitszertifikaten und auf welche Anbieter setzt Ihr? Schreibt es uns in die Kommentare.