Wie können Immobilien mit nachhaltiger regenerativer Wärme und Energie versorgt werden? Solarenergie ist bereits weit verbreitet. Mit Fernwärme haben wir uns ebenfalls bereits befasst. Wichtig ist, den eigenen CO₂-Fußabdruck möglichst gering zu halten und trotzdem wirtschaftlich rentabel zu bleiben. In diesem Kontext habe ich ein sehr aufschlussreiches Gespräch mit Steffen Krause und Aldo Piacentini-Timm geführt. Die beiden gehören zu den wenigen Experten in Deutschland zum Thema Geothermie und sind seit vielen Jahren in der Branche tätig. Geothermie, insbesondere Tiefengeothermie bietet große und bis heute in Deutschland wenig genutzte Potenziale bei der Wärme- und Energieversorgung. Obwohl Geothermie mit vielen Hindernissen und Vorurteilen zu kämpfen hat, tut sich etwas in der Branche. Doch wie funktioniert Geothermie eigentlich? Wenn Ihr euch für eine höchst spannende Technologie interessiert, solltet ihr hier unbedingt weiterlesen.

Daniel Mohaupt, Vorstand der PSD Bank Berlin-Brandenburg

Daniel Mohaupt, Vorstand der
PSD Bank Berlin-Brandenburg eG

Meine Gesprächspartner:

 

Aldo Piacentini-Timm (l.):

Geschäftsführer der INTEC GMK GmbH.
Mitglied im Energieausschuss des DIHK.
Berät u.a. als Energie-Sachverständiger Energieversorger und Kommunen bei der Nutzung Erneuerbarer Energien bei geothermischen Fragestellungen für Quartiere, Industrieanlagen

sowie deren Integration in Wärmenetze.

Steffen Krause (r.):

Geschäftsführer von Amicus Private Wealth Verwaltungs GmbH, Multi Family Office.
Investiert in erneuerbare Technologien und nutzt hierfür auch das Thema Geothermie.

Wenn ich jemanden auf der Straße fragen würde, was ist Geothermie, dann denken die meisten an Wärmepumpen. Ist das richtig?

Aldo Piacentini-Timm: Hier sollte man zwischen verschiedenen Anwendungen der Geothermie differenzieren. Es gibt zum einen die oberflächennahe Geothermie, die oberhalb der Marke von 400 Metern Tiefe ihre Aufgabe hat. Hier spielt die Wärmepumpe eine Hauptrolle. Dabei sprechen wir von erreichbaren Wassertemperaturen bis max. 15° C. Die Wärmepumpe erzeugt mit dieser Temperatur an der Oberfläche, mittels eines thermodynamischen Kreisprozesses, nutzbare Wärmeenergie bis in einen Temperaturbereich von ca. 60° C. Für diesen Vorgang wird elektrische Energie im Verhältnis von etwa 1 zu 4,5 benötigt. Das bedeutet, mit einer Kilowattstunde Strom kann die (Erd-)Wärmepumpe ca. 4-5 Kilowattstunden Wärmeenergie erzeugen.

Tiefengeothermie dagegen findet in einer Tiefe von 400 bis etwa 4.000 Meter statt. Je nach den örtlichen Gegebenheiten und der Tiefe können wir hier mit Temperaturen von 70-120°C arbeiten. Bis etwa 80° C würden wir die Wärme rein für die Beheizung von Gebäuden und Industrieprozessen verwenden. Bei höheren Temperaturen bis etwa 120 °C können wir parallel zu der Wärme auch Strom erzeugen. Technisch ist dies im Vergleich zur oberflächennahen Geothermie deutlich effizienter. Hier liegt das Verhältnis bei ca. 1 zu 35. Das bedeutet, mit einer Kilowattstunde Strom können 35 Kilowattstunden Wärmeenergie an die Erdoberfläche gebracht werden.

Das klingt nach einem deutlichen Vorteil der Tiefengeothermie. Warum wird das nicht immer so gemacht?

Aldo Piacentini-Timm: Tiefengeothermie kann man nicht auf jedem Fleckchen Erde durchführen. Dazu ist es wichtig zu verstehen, dass wir bei Tiefengeothermie eigentlich immer von hydrothermaler Geothermie sprechen. Das heißt, wir drücken mittels Tiefenpumpen heißes Wasser innerhalb der Förderbohrung nach oben. Dort wird es über Wärmetauscher abgekühlt, um es dann über eine Verpressbohrung in tief liegende Wasserhorizonte, weit entfernt von der Förderbohrung in den Boden zurückzuführen. Für diesen Vorgang sind wir auf ausreichende Wasserschüttung, die Fördermenge von heißem Grundwasser, am Standort angewiesen. Die Fördermengen betragen bei derartigen Projekten um die 100 Liter pro Sekunde. Zudem muss das Wasser heiß genug sein, um es zur Beheizung oder Verstromung nutzen zu können. Als dritter und ebenfalls sehr wichtiger Punkt spielen die chemische Zusammensetzung des Wassers sowie organische Beimischungen wie verschiedene Erdgase oder Erdöl eine wichtige Rolle. So kann ein zu hoher Salz- oder Mineralgehalt auf Dauer die Leitungen und Wärmeüberträger zersetzen oder irreparabel beschädigen. Darüber hinaus spielen Wasserschutzgebiete und das Genehmigungswesen eine sehr wichtige Rolle, um Trinkwasserhorizonte vor Verunreinigung zu schützen. Letztendlich ist auch entscheidend, dass nicht schon andere Nutzer in der Nähe geothermische Energie in der entsprechenden Tiefe nutzen, damit sich die Entnahme- und Verpressbohrungen der unterschiedlichen Nutzer nicht gegenseitig beeinflussen.

Wärme aus der Tiefe von mehreren tausend Metern zu fördern ist für kleinere Kommunen oder gar für private Häuslebauer unmöglich, da die Investitionen für derartige Förderbohrungen normalerweise im zweistelligen Millionenbereich liegen. Gemessen am Aufwand für die Förderung einer Kilowattstunde Wärme sind große geothermische Heiz- oder Kraftwerke jedoch erheblich effizienter als oberflächennahe geothermische Anlagen. Wir haben berechnet, dass sich geothermisch beheizte Projekte ab einer Wohnfläche von 10.000 Quadratmetern gut gegenüber klassisch beheizten Quartieren rechnen und in überschaubarem Zeitrahmen amortisieren.

Das heißt, für kleinere Objekte ist das wirtschaftlich nicht rentabel?

Steffen Krause: Hierfür haben wir ein Modell, das aber nur möglich ist, wenn wir uns mit örtlichen Stadtwerken partnerschaftlich verständigen. Das ist in kleineren Kommunen oft einfacher als in Großstädten, wo weit mehr Instanzen und politische Interessen eingebunden werden wollen. Dabei nutzen wir auch – in Zusammenarbeit mit Stadtwerken – neue Vertriebskanale für geothermische nachhaltige Energie. Das funktioniert in etwa so:

Wir bieten unseren Kunden an, dass wir auf einer eigenen geeigneten Fläche eine oberflächennahe oder tiefengeothermische Anlage errichten, von der aus wir eine definierte Menge Wärmeenergie erzeugen, um diese dann an geeigneter Stelle in das örtliche Fernwärmenetz einzuspeisen. Diese Energie können wir dann auf rein bilanzieller Ebene an anderer Stelle des Fernwärmenetzes entnehmen und dann an unseren Kunden weitergeben. Der örtliche Netzbetreiber erhält dafür eine entsprechende Netzgebühr.

Dabei kommt es nicht darauf an, ob genau diese ausgespeiste Wärme auf Basis von Geothermie erzeugt wurde. Der Kunde bekommt möglicherweise immer noch Wärmeenergie, die aus Steinkohle, Erdgas oder Heizöl erzeugt wurde, da die Versorgung durch das Fernwärmenetz häufig noch zu großen Teilen auf diesen Energieträgern basiert. Bilanziell betrachtet, bezieht er jedoch nachhaltige Energie aus unserer Geothermie-Anlage, die dann entsprechend bilanziert und mit dem Stadtwerk verrechnet wird. Das Modell wird immer interessanter, da so eine schrittweise Dekarbonisierung auf verschiedenen Schultern verteilt wird.

Dekarbonisierung ist ein gutes Stichwort: neben dem
CO2 -Ausstoß bei der Verbrennung haben fossile Brennstoffe den Nachteil, dass sie endlich sind.

Wie steht es bei Geothermie?

Aldo Piacentini-Timm: Nun ja, 99 % der Erde sind über 1.000° C heiß und das letzte Prozent ist im Durchschnitt immer noch um die 100° C warm. Um in warme Erdschichten vorzudringen, muss man gar nicht so tief – also nur ca. 4 km tief – bohren. Nach meinem Ermessen ist die geothermische Energie für uns Menschen also unendlich. Die Einschätzung kann jedoch auch etwas akademischer erfolgen. In einer Studie des „Büros zur Einschätzung von Technikabfolgen des deutschen Bundestages“  ist zu lesen, dass das technische Gesamtpotenzial zur geothermischen Stromerzeugung in Deutschland etwa dem 600-fachem des deutschen Jahresstrombedarfs entspricht.

Es stimmt allerdings auch, dass durch Geothermie bestimmten Schichten – Geologen sprechen von Horizonten – dauerhaft Wärme entzogen wird. Je nachdem, welche Technologie man konkret einsetzt und wo man dies tut, kommt es nach 25-30 Jahren zu einer Abkühlung der Umgebung, die sich in einem kugelförmigen Radius um den Entzugspunkt herum ausbreitet. Das bedeutet aber nicht, dass nach 30 Jahren an dieser Stelle keine geothermische Wärme mehr entzogen werden kann. Nach dieser Zeit beginnt langsam der Abkühlungsprozess und die geothermische Anlage kann noch viele Jahre weiterhin betrieben werden.

Wie viele Jahre das genau sind, hängt von verschiedenen Faktoren wie der Art des Gesteins, dessen Wärmeleitfähigkeit und Entfernung zur nächsten Verpressbohrung ab. Laut der Geologen, die
unsere Projekte begleiten, können richtig ausgelegte Geothermie-Anlagen durchaus auch über 50 Jahre wirtschaftlich betrieben werden. Es gibt sogar Beispiele – und zwar nicht nur aus Italien oder anderen geothermisch aktiveren Gegenden – sondern auch aus Deutschland, wo aufgrund besonders günstiger Bedingungen mit noch längeren Nutzungszeiträumen von um die 160 Jahren gerechnet werden kann.

Wir haben zum Beispiel ein beauftragtes Projekt in Norddeutschland, wo der Untergrund derart optimal ist, dass prinzipiell eine endlose Wärmeentnahme möglich ist. Zudem ist eine Abkühlung des Bodens auch per se keine schlechte Sache. Viele Gebiete, vor allem Städte, haben aktuell Probleme mit zu warmem Grundwasser. Das soll nicht bedeuten, dass Geothermie das ändert, das wäre ein Tropfen auf dem heißen Stein. Schaden wird dadurch allerdings nicht verursacht und im Zuge einer nachhaltigen Energiewende ist Geothermie eine höchst wünschenswerte Form der Nutzung „erneuerbarer Energien“.

Wieso werden dann im Zuge der Energiewende nicht bereits zahlreiche große Geothermie-Anlagen errichtet?

Steffen Krause: Neben den bereits erwähnten hohen finanziellen Aufwänden kommt noch ein hohes wirtschaftliches Risiko hinzu. Vor Beginn eines Projektes müssen aufwendige Untersuchungen und Probebohrungen vorgenommen werden. Kommt dabei heraus, dass das untersuchte Terrain für Geothermie ungeeignet ist, war der Prüfungsaufwand umsonst. Das ist vielen Kunden schwer zu vermitteln. Auch die Abstimmung mit verschiedenen Behörden, in diesem Falle vor allem den Bergämtern, sowie die Einsicht in die entsprechenden Bohrkataster etc. oder die Beschaffung von Informationen zum Untergrund aus privat gesicherten Datenbeständen ist mit großen Aufwänden verbunden, den viele Interessenten scheuen.

Weitere Hürden sind die Suche nach geeigneten Finanzierungen und den richtigen Versicherungen, die Bewertung des Projektes, sowie die Erstellung erster Machbarkeitsstudien durch erfahrene Geologen. Dazu kommen die parallel verlaufenden Genehmigungsgeschehens durch ebenfalls erfahrene Ingenieurbüros sowie die Auswahl erster geeigneter Firmen. Nicht zuletzt ist auch die erfolgreiche Errichtung der oberirdischen Heizungs- und ggf. Kraftwerkskomponenten eine Frage der Expertise.

Aldo Piacentini-Timm: Neben den hohen Anforderungen gibt es gegenüber der Geothermie auch oft Verunsicherung und Ängste. So werden häufig Ansichten geäußert, dass Tiefenbohrungen Erdbeben auslösen oder dass sich ganze Städte anheben und dadurch tausende Häuser vom Einsturz bedroht werden könnten oder dass ganze Grundwasserhorizonte durch Sole oder Erdölblasen verunreinigt werden könnten. Es kann in diesem Zusammenhang klar gesagt werden, dass es wie überall auch Gefahren bei der Gewinnung von Erdwärme, sowohl bei oberflächennahen Verfahren, aber auch im Bereich der Tiefengeothermie geben kann. Ferner könnten giftige oder explosive Gase wie Schwefelwasserstoff oder Methan austreten und an der Oberfläche zu Schäden beim Bedienpersonal und beim Equipment führen. Dies ist der Grund dafür, dass diese Projekte nur unter der Leitung erfahrener Spezialisten begonnen werden sollten.

Sofern diese Basics berücksichtigt werden, sind die Risiken bei der Nutzung der Geothermie so gering wie bei allen anderen technischen Prozessen, die im schlechtesten Fall auch havarieren können.

Wie sehen Sie die Zukunft der Geothermie in Deutschland?

Aldo Piacentini-Timm: Aufgrund der Klimadiskussion, des politischen Rückenwindes sowie der gestiegen Energiepreise und ständig steigender CO₂-Abgaben nehmen wir wahr, dass die Offenheit und das Interesse gegenüber nachhaltigen Energielösungen stark wachsen und dadurch viele Firmen in diesem Bereich mittlerweile an ihre Leistungsgrenzen stoßen. Ich glaube, die Geothermie hat in Deutschland ein exponentielles Wachstum vor sich und wird immer mehr zur Säule einer nachhaltigen und sicheren Quelle zur Versorgung großer Quartiere und ganzer Kommunen mit Heizwärme.

Steffen Krause: Aufgrund des derzeitigen Wachstums in diesem Bereich, werden die geeigneten Geschäftsmodelle auch immer mehr Akzeptanz finden. Die Banken und Versicherungen spielen an dieser Stelle eine entscheidende Rolle, um die Projekte zu finanzieren und versichern. Wir arbeiten daran, engere Verbindungen zwischen den Akteuren zu schaffen um Banken, Kommunen, die Politik, Unternehmen und Kunden zu vernetzen. Die Geothermie in Deutschland kommt nun in Bewegung, auch durch die Aussicht auf ca. 600 Jahre CO₂-freier Energie.

Vielen Dank für das Gespräch!

Habt ihr euch bereits mit dem Thema Geothermie befasst? Wie sind eure Erfahrungen?

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